Sich Zeit lassen… Klingt theoretisch immer gut, klappt nur in der Praxis nie. Vor allem, wenn man das Gefühl hat viel zu wenig davon zu haben. Es ist genauso, wie mit dem Vorsatz entspannter zu sein. Oder jetzt – JETZT! – mit dem Grübeln aufzuhören. Geht einfach nicht. Und hier kommt die Methodik ins Spiel. Um sein Verhalten zu ändern, reicht die Erkenntnis allein manchmal nicht aus, man muss sich Regeln setzen. Eine mögliche Methode ist das Konzept der „verlorenen Stunde“. Zugegeben, schon als ich zum ersten Mal davon las, wusste ich, dass ich diese Methode nie eins-zu-eins umsetzen würde. Und trotzdem fand ich sie so hilfreich und inspirierend wie kaum eine andere. Es ist simpel: Jeden Tag reserviert man eine Stunde für sich selbst. Eine Stunde, in der man sich nichts vornimmt und die daher für vermeintlich „nützliche“ Dinge verloren ist. Eine Stunde, die nicht effizient und optimiert ist, in der man sich auch nicht mit privaten Projekten (endlich Sport machen, sich wieder bei Freunden melden, die Steuererklärung machen) unter Druck setzt. Eine Stunde, die man ohne schlechtes Gewissen mit Nichtstun verstreichen lassen kann. Einfach nur dasitzen, aus dem Fenster schauen und die Gedanken schweifen lassen… Ohne jeden Druck. Ist es nicht seltsam, dass es uns bei all unseren Freiheiten so schwer fällt uns frei zu nehmen? Das wir uns das extra vornehmen müssen?
Mit Kleinkindern nützt jedoch der beste Vorsatz nichts. Ich kann zwar mein Handy ausstellen und mir die Stunde freihalten, aber selbst abends kann ich nicht garantieren, dass meine Kinder sich daran halten (oder ich fit genug bin um nicht gleich einzuschlafen). Immerhin habe ich aufgehört mir den Sonntag vollzuplanen und ihn als freien Tag zurückerobert an dem wir einfach Ausflüge machen – oder halt nichts. Zusätzlich wollte ich einen Tag im Monat nur für mich rausschlagen (immer den Monatsersten), aber das habe ich nicht hingekriegt. Tatsächlich waren wohl die Abstände zu groß, so dass ich den Plan vergessen hab, bevor er sich wirklich einspielen konnte.
Momentan versuche ich es mit den „verlorenen 5 Minuten“. Wann immer ich Teewasser aufsetze, renne ich danach nicht los, um was-auch-immer zu machen, sondern ich bleibe da, schaue aus dem Küchenfenster und versuche mich auf mich selbst zu besinnen. Einfach kurz auf Abstand zu allem gehen, spüren wie es mir in diesem Moment geht, was ich jetzt bräuchte und das Nichtstun auszuhalten. Erstaunlich schwer ist das! Die Küche sieht seither viel ordentlicher aus und zeugt davon, wie oft ich scheitere (aber dann freue ich mich wenigstens über die Küche). Und trotzdem tut es mir gut. Bei meinem Teekonsum ergeben sich daraus recht viele Wasserkochermomente und dieses kurzen Unterbrechungen – das Atemholen mitten im Alltag – sind unglaublich hilfreich. Sie machen mich gelassener, lassen mich Pläne ändern bevor ich gestresst bin und geben mir Gelegenheit mich mal richtig zu strecken!
Und das ist ja auch einer der wichtigsten Aspekte der „verlorenen Stunde“. Diese Methode ist vor allem ein Anreiz, eine Inspiration über die eigenen Anforderungen und das eigene Zeitmanagement nachzudenken. Sie darf angepasst und modifiziert werden, so dass es für und zu euch passt – ohne zusätzlich Druck zu machen.
